Eigentlich wollten wir nur gemeinsam einen Italienisch-Kurs an der Volkshochschule besuchen, doch bevor wir überhaupt die erste Unterrichtsstunde hatten, war die Idee von einem gemeinsamem Wochenend-Trip nach Rom geboren. Wir buchten Flüge und eine kleine Wohnung über AirBnb, lasen schon mal den Reiseführer und schmiedeten Pläne – und stellten dann fest, dass an besagtem Wochenende der Maratona di Roma stattfinden würde.
Marathon-Wochenende in Rom? Puh… Mein erster Gedanke war, nach einem anderen, freien Wochenende zu suchen und alles umzubuchen, denn am Marathon-Tag ist eine Stadt im Ausnahmezustand und an Sightseeing nicht zu denken. Mein zweiter Gedanke war dann jedoch: Gibt es da auch einen 5km Lauf? Ich wollte zu dieser Zeit nämlich endlich (wieder) mit dem Laufen anfangen und empfand es ein wenig als Wink des Schicksals, dass wir zufällig ausgerechnet dieses Wochenende für unsere Reise ausgewählt hatten. Und siehe da: es gab einen 4,2km langen Fun Run vorbei an einigen der bekanntesten Bauwerke Roms. Wie cool ist das bitte?
Voll Euphorie schrieb ich Nicola an und berichtete ihr zunächst von meinem Schock-Moment als ich heraus fand, dass Marathon-Wochenende sein würde, um dann gleich vom Fun-Run zu berichten und sie davon zu überzeugen, dass das doch eine ganz tolle Sache wäre, wenn wir da mitlaufen würden. In Laufschuhen durch Rom! Mit einem Event T-Shirt und einer Medaille im Zielbereich für alle Teilnehmer! Und das für nur 10€ Startgeld!
Ich war direkt Feuer und Flamme für diese Idee. Nicola hatte hingegen noch so ihre Zweifel, aber nachdem ich ihr versprochen hatte, dass wir getreu dem Motto “Dabei sein ist alles” einfach an den Start gehen und abwechselnd laufen und walken würden, war sie schließlich einverstanden, wenn auch noch nicht 100% überzeugt.
Wer hätte gedacht, dass dies der Anfang einer ganz großen Lauf-Liebe sein würde?!
“Oh nein, das will ich auf keinen Fall” – ging mir als erstes durch den Kopf als Nika mir von ihrer Idee erzählte. Sie war so begeistert davon, ich hingegen machte mir doch etwas in die Hose. Ach was, ich hatte Panik, denn ich konnte dem Laufen noch nie etwas abgewinnen und war zuvor höchstens ab und an mal walken gewesen. Nach einiger Überzeugungsarbeit von ihr ließ ich mich schließlich doch breitschlagen. Warum nicht einfach mal was Neues wagen und wenn man schon mal in Rom ist? (Nicola)
Wir flogen also wie geplant donnerstags nach Rom, bezogen unser kleines Apartment und machten uns am frühen Abend noch gleich auf in die Stadt. Auf der Suche nach einer schönen Trattoria fürs Abendessen kamen wir gleich am Piazza di Spagna, der spanischen Treppe, dem Pantheon und dem Fontana di Trevi vorbei. Erfüllt von unglaublich vielen Eindrücken und voller Stolz darüber, dass wir es geschafft hatten, auf Italienisch zu bestellen, fielen wir spät abends müde ins Bett.
Natürlich ging es Freitag direkt früh wieder los. Auf dem Programm standen das Kolosseum, das Forum Romanum und ein kurzer Abstecher zum Circo Massimo. Leider stehen von der Arena, in der früher Wagenrennen à la Ben Hur statt fanden, nur noch wenige Ruinen, aber da der Zielbereich des Fun Runs hier sein würde, wollten wir uns das natürlich schon mal aus der Nähe ansehen.
Nach dem Sightseeing ging es dann noch weiter zur Marathon-Messe, wo wir unsere Startunterlagen abholen wollten – und wo das Drama rund um die T-Shirt Größen seinen Lauf nahm. ? Die Expo war wider Erwarten recht klein, aber gut organisiert, so dass wir uns schnell zurecht fanden. An den verschiedenen Ständen schauten wir uns Schuhe, Kompressions-Sleeves, Funktionskleidung und Accessoires an, bevor wir schließlich an der Startnummern- und Tshirt Ausgabe ankamen.
Schnell erfuhren wir, dass man die T-Shirts nicht anprobieren oder umtauschen konnte, sondern sich ‘blind’ für eine Größe entscheiden musste. Zum Glück waren die verschiedenen Größen an der Wand hinter der Theke ausgestellt, so dass wir uns schlussendlich für T-Shirts in M entschieden. Und direkt in eine Diskussion mit mehreren italienischen Frauen verwickelt wurden, die uns sagten, dass M schon sehr klein sei und ob wir uns denn wirklich sicher wären mit der Größe. Ähm, ja… sowas erlebt man auch nicht alle Tage. Von den abschätzigen Blicken, mit denen wir von oben bis unten gemustert wurden, mal ganz zu schweigen.
Ich fragte eine sehr kleine, untersetzte – fast schon quadratisch aussehende – Dame, die für die T-Shirt Ausgabe zuständig war, welche Größe sie denn tragen würde. Nachdem die Antwort “Large” lautete, war meine Entscheidung für M entgültig gefallen. Die ungläubigen Blicke der Frauen werden wir, glaube ich, nie vergessen – zu verrückt war die ganze Situation. Eine andere Italienerin, die selbst bereits ein ihr etwas zu großes T-Shirt in L erhalten und anprobiert hatte, wollte unbedingt mit uns ihr Shirt tauschen und konnte es auch nicht fassen, dass wir ablehnten und tatsächlich selbst Größe M tragen wollten. (Nicola)
Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie sehr wir uns abends in unserer Wohnung gefeiert haben als wir die Shirts anprobierten und sie passten! Wären sie zu klein gewesen, wäre das auch überhaupt nicht schlimm gewesen für uns. Wir hätten es eher als Motivation angesehen, Die Sache mit dem Abnehmen (Link zu Nika’s altem Blog Little Tiger) weiter voran zu treiben. Doch so wurde die T-Shirt Anprobe ein ganz großer Augenblick unserer Freundschaft, der selbstverständlich in Bildern festgehalten werden musste und uns als geflügeltes Wort (“M! Wir tragen Größe M!”) bis heute begleitet. Da sieht man doch auch mal wieder, dass man sich nicht so sehr auf das Urteil anderer Menschen verlassen, sondern auf die eigene Intuition hören sollte.
Den nächsten Tag verbrachten wir dann wieder mit Sightseeing, schließlich gibt es in Rom so viel zu sehen und zu entdecken.Wir waren wieder früh morgens unterwegs, denn wir wollten gerne den Petersdom besichtigen und auch die Kuppel besteigen ohne allzu viel Zeit in Warteschlangen zu verbringen. Der Plan ging auch ganz gut auf, so dass wir in Ruhe die Kuppel erklimmen und den Blick über die Stadt genießen konnten. Hoch oben auf dem Dach des Petersdoms nutzten wir noch das kleine, von Nonnen betriebene vatikanische Postamt, um unsere Postkarten abzuschicken, und machten uns dann an den Abstieg, um auch noch den Dom und die vatikanischen Grotten zu besichtigen.
Vom Vatikan aus ließen wir uns in Richtung Engelsburg und Tiber-Ufer treiben, bummelten durch den schönen Stadtteil Ponte und genoßen ein Dolci in der Nähe der spanischen Treppe im Stadtviertel Campo Marzio. Hach, von diesem Semifreddo mit Pistazie träumen wir heute noch… So gestärkt spazierten wir weiter zur Villa Medici, die heute die Französische Akademie in Rom beherbergt, und von dort aus in den angrenzenden Park Villa Borghese. Leider war die Parkanlage nicht ganz so grün und prachtvoll, wie wir es uns vorgestellt hatten, aber der Besuch lohnte sich allein schon für das Museo Carlo Bilotti und die wunderbare Aussicht von der Terrazza del Pincio hinab auf die Piazza del Popolo.
Erfüllt von so vielen Eindrücken machten wir uns schließlich am späten Nachmittag auf den Heimweg. Nach einer kleinen Verschnaufpause suchten wir noch schnell nach einem lokalen Geheimtipp für das Abendessen, denn zur ersten Teilnahme an einer Laufveranstaltung gehört schließlich auch eine Pasta-Party am Abend davor, oder? Und wenn es in Rom eines gibt, dann ist das richtig gute Pasta! Wir verließen uns auf Bewertungen im Internet und landeten schließlich in der Osteria del Cavaliere, die versteckt in einer Seitenstraße nur ein paar Minuten Fußweg entfernt war. Genau wie schon am Nachmittag nutzten wir unsere wenigen Italienisch Kenntnisse, um nach einem Tisch für zwei zu fragen und zu bestellen, und genoßen schließlich umgeben von Einheimischen die wohl köstlichste Pasta von ganz Rom.
In der Osteria del Cavaliere kocht die Mamma noch selbst und das hat man geschmeckt. Wir hatten das Glück spontan noch einen Tisch zu bekommen, denn die 8 Tische dort sind immer heiß begehrt. Der Abend war grandios, denn mit Hilfe der herzlichen Bedienung konnten wir unser Italienisch weiter ausbauen. Und wisst ihr was? Die Italiener sind immer so begeistert, wenn man versucht, ihre Sprache zu sprechen. Einfach toll! (Nicola)
Am nächsten Morgen wachten wir schon früh auf und machte uns voller Vorfreude, aber auch mit einer gehörigen Portion Nervosität, fertig. Ein schnelles Frühstück und schon waren wir auf dem Weg in die Stadt. Die Metro brachte uns bis zur Station Vittorio Emanuele, wo man eigentlich in eine andere Linie hätte umsteigen müssen, aber wir folgten einfach den anderen Läufern in blauen T-Shirts zum Ausgang und spazierten gemeinsam die knapp 1,5km zur Via dei Fori Imperiali. Bereits auf dem Weg zum Start wurden wir von dieser besonderen Stimmung mitgerissen.
Von überall her, aus U-Bahn Stationen und Seitenstraßen, strömten die Menschen in blauen ‘All roads lead to Rome’-T-Shirts in Richtung des Startbereichs. Es wurde geschnattert, fotografiert, sich begrüßt, Startnummern angeheftet – während sich die Wolken immer weiter zuzogen. Vom schönen Wetter der vergangenen drei Tage war nichts mehr zu spüren, aber das störte uns nicht weiter. Wir freuten uns einfach darüber, dabei zu sein und den ein oder anderen italienischen Gesprächsfetzen zu verstehen. Die Stimmung war einfach unglaublich und der Countdown zum Startschuss ein wahrer Gänsehaut-Moment, auch wenn der Moderator natürlich alles auf Italienisch kommentierte und wir nur wenig verstanden.
Pünktlich zum Startschuss fing es an zu regnen, aber auch das tat der Stimmung keinen Abbruch. Es wurden einfach Jacken und Regenponchos übergezogen oder auch Regenschirme aufgespannt. Regenschirme bei einem Lauf-Event? Ja, und nicht nur vereinzelt, sondern eine ganze Menge. Da spürten wir direkt wieder diese Lebensfreude und Leichtigkeit der Römer. Der Fun Run ist für alle da, egal ob jung oder alt, ambitionierter Läufer oder gemütlicher Walker – dabei sein ist alles! Und so reihten wir uns inmitten von Läufern, Familien, Sportlern und Jugendgruppen ein. Auch mit am Start: ein älteres Ehepaar in Wanderschuhen und mit Rucksack ausgestattet, die einfach einen schönen Spaziergang durch ihre Stadt genießen wollten.
Dass man auf nassem Kopfsteinpflaster keine Bestzeiten laufen kann, war uns von vorne herein klar und zum Glück auch überhaupt nicht unser Ziel. Wir genoßen einfach die Stimmung trotz des immer stärker werdenden Regens und wechselten zwischen Laufen und Walken. Auf dem Weg bestaunten wir die historischen Bauwerke rechts und links der Strecke, und blieben auch mal stehen, um kurz ein Foto zu machen. Nach knapp 50 Minuten erreichten wir schließlich den Circo Massimo, wo wir nass bis auf die Knochen gemeinsam die Ziellinie überquerten und unsere Medaillen in Empfang nahmen.
Für mich war es ein unbeschreiblich tolles Gefühl, ins Ziel einzulaufen und eine Medaille zu bekommen. Ich habe gestrahlt wie ein Honigkuchenpferd. Zu spüren, was der Körper leisten kann, und über sich selbst hinaus zu wachsen. Echt krass! Das hätte ich nie im Leben erwartet. (Nicola)
Im Ziel gönnte uns der Regen eine kurze Pause, so dass wir noch ein paar Minuten blieben, um etwas zu trinken und weitere Fotos zu machen. Als der Regen wieder einsetzte, machten wir uns auf den Rückweg und waren so dankbar für die heiße Dusche als wir endlich im Apartment waren. Viel Zeit zum Verschnaufen blieb allerdings nicht, da wir kurz darauf auschecken mussten. Da das Wetter leider immer schlechter wurde und Sightseeing somit keine Option war, verschlug es uns kurzerhand ins Pompi – ein sehr bekanntes Café, wo es neben Tiramisù und anderen Dolci auch warmes Mittagessen gab. Göttlich!
Während wir dort unsere letzten Stunden in Rom verbrachten und uns durch die Speisekarte futterten, schmiedeten wir bereits neue Pläne für gemeinsame Reisen – und Läufe! Wir waren beide so begeistert und euphorisch von unserem Lauf, dass wir beschlossen, es nun doch ernsthaft mit dem Laufen zu versuchen. Als wir am nächsten Tag zurück in Köln waren, durchstöberte ich das Internet nach einem für mich geeigneten Trainingsplan, während Nicola sich gleich richtige Laufschuhe kaufen ging.
Heute, etwas mehr als ein Jahr später, sind wir gemeinsam in Schottland und haben gestern erfolgreich den 10 Kilometer Lauf beim Edinburgh Marathon Festival gefinished. Yeah! Ihr merkt schon, in der Zwischenzeit ist viel passiert. Wir laufen beide regelmäßig, ich bin in der Zwischenzeit meinen ersten Halbmarathon gelaufen (für zwei weitere bin ich bereits angemeldet) und wir überlegen grade, wo uns die nächste, gemeinsame Lauf-Reise hinführen könnte. Athen vielleicht?
Und das alles nur, weil zufällig der Maratona di Roma an dem Wochenende stattfand, an dem wir gemeinsam Rom entdecken wollten.
Habt die schönste Zeit!
Eine tolle Geschichte, nur etwas sehr ausführend geschrieben. Also mir war der Text etwas zu lang! Trotzdem bin ich auf weitere Lauferlebnisse gespannt!:)
Hallo Yana,
vielen Dank für Deinen Kommentar! Schön, dass Dir die Geschichte gefallen hat.
LG Nicola